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02.08.2024 - Kritische Analyse - das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)

Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (NZZ) titelte kürzlich: “Das BSW ist eine Phantompartei” Grund genug, sich mit der neuen “Partei” einmal näher zu beschäftigen.

Am 8. Januar 2024 gründete sich die Partei das „Bündnis Sahra Wagenknecht - Für Vernunft und Gerechtigkeit e. V.“ kurz BSW und ist damit die erste Partei Deutschlands, die nach einer Person benannt ist. Sahra Wagenknecht, das polarisierende Aushängeschild der Linken, sorgte in ihrer politischen Karriere immer wieder für Kontroversen in ihrer Partei, sei es durch ihre Ansichten zum Kommunismus, zur Asylpolitik, zur Corona-Pandemie oder zu Themen der Wokeness. Die Spannungen gipfelten schließlich im Zuge von Putins Angriffskrieg auf die Ukraine im Austritt von sieben Bundestagsabgeordneten der Linkspartei und wenige Monate später in der Gründung des BSW. Obwohl die Partei noch jung ist, lohnt sich ein kritischer Blick auf die neu entstehende politische Kraft im Vorfeld der drei anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg.

SAHRA WAGENKNECHT – EINE POLITIKERIN MIT ZWEI GESICHTERN

Trotz bekannter Gesichter in der Führungsspitze, fällt es Politikwissenschaftlern schwer, die neue Partei klar einzuordnen. Um zu verstehen, was das BSW ausmacht, muss man die Frau kennen, die der Partei ihren Namen gab. Sahra Wagenknechts Karriere begann, als eine der letzten Verfechterinnen der DDR und SED, als sie wenige Monate vor dem Mauerfall der Partei beitrat. Von Anfang an fiel Wagenknecht durch ihre Widersprüchlichkeit und Kompromisslosigkeit auf. Einerseits wurde ihr trotz ihres jungen Alters eine konservative Seite nachgesagt, andererseits zeigte sie früh eine Affinität zum Kommunismus und Stalinismus. Ihre Haltung zur DDR, die sie als „friedfertigstes und menschenfreundlichstes Gemeinwesen“ der Deutschen Geschichte bezeichnete - ich erinnere mich ganz deutlich an den Repressionsapparat von SED und Stasi, sorgte für viele Eklats und Widerstand, auch innerhalb der eigenen Partei. Bis heute hat sich an dieser Unbeugsamkeit und Zweischneidigkeit Wagenknechts wenig geändert.

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PROGRAMMATIK – ZWISCHEN LINKER TRADITION UND KONSERVATIVER POSITIONEN

Dies spiegelt sich auch in der Programmatik des BSW wider. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik bleibt das Bündnis seinen linken Ursprüngen treu. Gerechte Löhne, sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen sind zentrale Forderungen der Partei. Anders sieht es in der Außen- und Migrationspolitik aus. Hier verfolgt das BSW das Ziel, die Zuwanderung zu begrenzen und die EU unabhängiger vom Westen zu machen. Das Bündnis setzt sich für Asylverfahren in Drittstaaten und das Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine ein. Immer wieder spielt die Partei und insbesondere Wagenknecht den Angriffskrieg Putins herunter, während sie dem Westen Kriegstreiberei vorwirft. Wagenknecht behauptet außerdem über den Krieg in der Ukraine „Es ist falsch, die Ukraine weiter mit Waffen zu beliefern. Wir müssen endlich Friedensgespräche aufnehmen.“.

Dabei bedient sie populistische narrative und verdreht die Tatsache, dass Putin der Kriegstreiber und Ukraine ohne Waffenlieferungen nicht überleben kann. Die Politikwissenschaft spricht beim BSW von einer sozioökonomisch linken und gesellschaftspolitisch konservativen Partei. Dies wird als mögliche Taktik gesehen, um Wähler sowohl am linken als auch am rechten Rand anzusprechen. Dabei muss das BSW es schaffen, sich klar von der Anmutung eines Nationalen Sozialismus klar und deutlich abzugrenzen. Nicht allein, deswegen, sondern auch aufgrund der Rhetorik des BSW, wird die Partei von der Universität Potsdam als links-autoritär und populistisch eingestuft. Umfragen zeigen, dass das BSW vor allem in Ostdeutschland Anhänger findet, insbesondere unter 41- bis 60-Jährigen. In Sachsen erreichte die Partei zuletzt 15% und gewinnt vor allem Wähler der Linken und der AfD für sich.

PARTEISTRUKTUR – EINE PARTEI VON OBEN HERAB

Eine Besonderheit des BSW ist seine strikte Parteistruktur. Mit dem Argument eine Unterwanderung durch „Spinner“ verhindern zu wollen, wurde die Mitgliederzahl im ersten Jahr auf 1.000 Personen begrenzt. Als Alternative können „Förderer“ und „Unterstützer“ die Partei lediglich durch Spenden und Wahlkampfhilfe unterstützen, ohne ein formelles Mitspracherecht in der Partei zu erhalten. Obwohl diese Praxis mit dem Parteiengesetz vereinbar ist, schränkt sie die Partizipation und demokratische Meinungsfindung in der Partei erheblich ein. Mit dem BSW entsteht eine neue politische Kraft, die Politik nach Meinungsumfragen macht, die mir undemokratisch erscheint.

Gerade weil nicht jede und jeder Mitglied werden kann, entsteht sogar der Eindruck einer elitären Partei, die nur nach persönlicher Auswahl durch Sarah Wagenknecht neue Mitglieder aufnimmt.

Lars Rohwer

In einer Demokratie muss es aber andere Mechanismen geben, wie Mitglieder ausgewählt werden - eben demokratische Mechanismen, wie es bspw. in allen demokratischen Parteien geschieht.

NZZ: “Beim BSW herrscht Einigkeit und Eigenlob. Das Selektionsprinzip tragt Früchte - und ist doch seltsam bei einer Partei, die mit dem Ruf nach mehr Meinungsfreiheit in die Wahlen zieht.”

Insgesamt ist die Parteistruktur weniger auf gemeinsame Zusammenarbeit und flache Hierarchien ausgelegt, sondern fokussiert sich stark auf Sahra Wagenknecht. Ihr ehemaliger Parteikollege Stefan Liebich sagt über Wagenknecht, dass sie niemals Kompromisse in ihrer Gruppe eingeht, selbst dann nicht, wenn sie die Gruppe selbst anführt. Ihre umstrittenen Ansichten – Russlandaffinität, Antikapitalismus, Antiamerikanismus, Kommunismus, Migrationskritik uvm. – vertrat sie in den letzten Jahrzehnten oft isoliert und kann sie nun in ihrer eigenen Partei ausleben. Unliebsame Kompromisse muss sie zunächst nicht mehr eingehen. Sie ist der Name, das Gesicht und die Programmatik der Partei und ihr schneller Erfolg beruht zu einem großen Teil auf Wagenknecht selbst.

SAHRA WAGENKNECHT ALLEIN MACHT NOCH KEIN BÜNDNIS

Es wird sich zeigen, wie erfolgreich das BSW bei den kommenden Landtagswahlen abschneiden wird, ob sie auch im Rest des Landes Erfolge feiern werden kann und ob sie es schafft, unabhängig von Sahra Wagenknecht ein Profil aufzubauen. Nachdem das Bündnis zunächst eine Koalition mit der AfD ausgeschlossen hatte und später auch den Grünen eine Absage erteilte, stelle ich mir die Frage, ob die Partei überhaupt regieren möchte oder ob Sahra Wagenknechts Philosophie – keine Kompromisse und das um jeden Preis – auch im BSW durchgesetzt werden wird. Darüber hinaus bin ich skeptisch, ob man eine Koalition mit einer so jungen Partei eingehen sollte, die bei einer Landtagswahl ausschließlich mit der Parteivorsitzenden wirbt, welche selbst nicht zur Wahl steht. Es ist schon befremdlich, wenn in Sachsen, Thüringen und Brandenburg mit Wagenknecht auf Plakaten geworben wird, sie aber gar nicht zur Wahl steht. Vermutlich wird sie damit unbekannten Kandidaten einen kräftigen Schub geben, die sind im Gegenzug aber auch von ihr abhängig und nicht frei im Handeln.

Über die lokalen Kandidaten, die für die Landtagswahl in Sachsen antreten, wissen wir kaum etwas, insbesondere nicht wofür sie stehen. NZZ: “Auf der 30köpfigen sächsischen Landesliste zur Wahl am 1. September findet sich fast jedes zweite Mitglied wieder.” Bei einer Partei, die sich in so vielen Punkten widerspricht, kann man kaum einschätzen, worauf man sich einlässt.

Deshalb halte ich eine möglichst starke CDU im Sächsischen Landtag für unbedingt notwendig, um die Geschicke unseres schönen Freistaat Sachsen weiter mit Tatkraft zu gestalten.

Lars Rohwer